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BOGDAN ANDREI BORDEIANU, IRINA BOTEA BUCAN, LUCIAN BRAN, MICHELE BRESSAN/BOGDAN GÎRBOVAN, FLORIN GHENADE, NICU ILFOVEANU, MIHAI SOVĂIALĂ /VALENTIN CERNAT, ANA ȚARAN
Eröffnung: Montag, 3. September, 19.00 Uhr
Einführende Worte: Alexandra Manole, Kuratorin Galeria Posibilă
Ausstellungsdauer: 4. September – 6. Oktober 2018
Begleitprogramm: Samstag, 22. September 15.00–22.00 Uhr
KAMMERSPIEL
Rumänisches Filmspecial zum Thema Landschaft
Kuratorin: Ana Szel
Galeria Posibilă wurde 2003 als eine der ersten privaten Galerien in Bukarest von Matei Câlţia gegründet. Die Galerie entwickelte sich bald zu einem wichtigen Ort, an dem Fotografie gefördert, ausgestellt und produziert wird. Der inhaltliche Fokus der Galerie liegt auf dem Thema Landschaft, wobei in intensiver kuratorischer Arbeit zeitgenössische KünstlerInnen ausgewählt werden, die interessiert sind an Themen wie Identität, Transformation und Erinnerung.
Die Galerie unterstützt auch die Publikation von Künstlerbüchern und gibt Kataloge heraus, die ebenfalls Natur und Landschaft zum Thema haben.
2011 wurde die „Biblioteca de galerie“ gegründet, die sich auf Landschaftstheorie sowie artverwandte Themen spezialisiert; sie hat sich mittlerweile zu einem wichtigen Studienort für KünstlerInnen und StudentInnen entwickelt.
Zum Fokus auf Landschaft:
„Die Landschaft ist einer jener Bereiche, durch den die Frage nach unserer Beziehung zur Außenwelt und unserer Präsenz darin zum Tragen kommt“ (Denis E. Cosgrove).
Die starke Beziehung zur Landschaft beruht auf der Erforschung und Befragung individueller Gedanken und Werte sowie gesellschaftlicher Vorstellungen. Dies inspiriert auch die KünstlerInnen, nach Antworten zu suchen, Diskussionen aufzuwerfen und Fragen zu den Themen Raum, Ort und Landschaft zu stellen.
Mit der Ausstellung der Galerie Posibilă in der FOTOGALERIE WIEN werden verschiedene Wege aufgezeigt, wie Landschaft betrachtet, präsentiert oder verstanden werden kann: aus ästhetischer Sicht, in Bezug zu Biologie und Ökologie sowie zu Geschichte und Erinnerung; als Erzählung aus persönlicher und kollektiver Perspektive; in der Auseinandersetzung mit Identität und Werten ... Es geht darum zu untersuchen, wie Landschaft heute wahrgenommen und reflektiert wird. Die Ausstellung wird komplettiert durch ein Filmscreening sowie Künstlerbücher und Publikationen über rumänische Landschaftsfotografie.
Die großformatigen Fotoarbeiten der Serie Old Trees, einem komplexen Forschungs- und Kunstprojekt von Florin Ghenade, zu dem neben Fotografien auch Videos und Soundpieces gehören, zeigen unwirklich beleuchtete alte rumänische Bäume in der Nacht. Ghenades Verständnis von Landschaft beruht auf der Verbindung ästhetischer sowie ökologischer und anthropologischer Gesichtspunkte. Die äußerst „schön“ fotografierten Bäume, die hier, entkontexualisiert von ihrem natürlichen Umfeld, wie auf einer Bühne dargestellt sind, erzählen dennoch ihre Geschichten – ein Spiel mit den Möglichkeiten der Fotografie, etwas gleichzeitig zu verstecken und zu zeigen.
Das Interesse am Medium Fotografie sowie eine geschenkte Boxkamera – eine alte Zeiss Ikon Box Tengor –, waren Ausgangspunkt für Nicu Ilfoveanus Fotoprojekt Steampunk Autochrome. Die Fotografien zeigen Industrielandschaften am Rand von Bukarest; sie verstehen sich als „Gegenbilder“ zu anderen Abbildungen dieser Orte, da Ilfoveanu die hässlichen und schmutzigen Industriegebiete in eine fast romantisch anmutende Stimmung taucht. Dies hat er durch die besondere Technik der Boxkamera sowie durch Filter, spezielle Linsen, Scans und Pigmentdrucke erreicht. Die Fotos wirken wie aus einer anderen Zeit und wecken für ihn Erinnerungen an den Stadtteil, in dem er aufgewachsen ist.
Bei den Landschaften der Fotoserie Temporary Landscapes von Bogdan Bordeianu handelt es sich um menschenleere Ansichten von Fels- und Erdformationen. Den Künstler interessiert der Wandel der Landschaften durch die wechselseitige Formgebung von Mensch und Natur. In diesem langen zeitlichen Prozess schreibt die Gesellschaft sozusagen ihre Autobiografie in die Landschaft ein. Die Schönheit dieser Orte – wenngleich auch dystopisch – hat Bordeianu angezogen: Ironie des Schicksals, dass diese Schönheit letztlich aus sorglosem menschlichen Tun entstanden ist.
Mihai Şovăială und Valentin Cernat interessiert die in Landschaften eingeschriebene Erinnerung und Geschichte; in ihrer Schwarzweiß-Fotoserie und dem danach entstandenen Buch 4m3 geht es um den geschichtsträchtigen Donau-Schwarzmeer-Kanal. Die Arbeit basiert auf Feldforschung und einem Reenactment und versucht, etwas von einem Ort hervorzuholen, was nicht mehr sichtbar ist. Sie haben CIA-Berichte über die Bauarbeiten des rumänischen Abschnitts des Kanals aufgespürt, in denen über hier tätige Zwangsarbeiter, politische Gefangene, berichtet wird, die in der Nähe (in einer Kolonie in Poarta Albă) ermordet und in Massengräbern direkt unter dem Aushub des Kanals beerdigt wurden. Das Reenactment bestand aus dem rituellen Ausheben eines vier Kubikmeter großen Grabens durch die Künstler, verstanden als symbolischer Akt in Gedenken an die Zwangsarbeiter.
Zu einem ähnlichen Thema definieren Bogdan Gîrbovan und Michele Bressan in ihrer Arbeit Romanian Archeological Photography Index (R.A.P.I.) den Begriff Landschaft neu: Landschaft als Dokumentation und Ausgangspunkt für Studien. Für das Projekt R.A.P.I. betätigten sie sich als Archäologen: Sie suchten und fanden – unter Zuhilfenahme von Metalldetektoren – in rumänischen Landschaften Objekte des Ersten und Zweiten Weltkriegs, die sie auch selbst ausgruben. Die Arbeit besteht aus drei Ebenen: aus den Fotos der betreffenden Landschaften, den Bildern der Objekte In situ sowie im Studio inszeniert. Die Fotografien sowie begleitende Texte sind auch in einem vorläufigen Künstlerbuch, einer ersten Publikation des im Prozess befindlichen Projekts, zusammengefasst.
Eine andere Landschaft mit Geschichte hat Lucian Bran in seinem installativen Projekt Borrowed Territories, in dem Fotografie das dominante Medium ist, untersucht – eine „geliehene“ Landschaft für das Filmset der US-amerikanischen Mini-Serie Hatfields & McCoys (2012). Brans ruhige Fotografien, die im Gegensatz zu den bewegten Bildern des TV-Films stehen, zeigen keine Menschen bzw. Schauspieler. Sie stellen die puren Landschaften in den Vordergrund, ohne einen visuellen Hinweis auf das zu geben, was hier stattgefunden hat. Dies definiert Bran als Künstler, der Fotografie als Medium der Befragung verwendet. Angesiedelt zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit, stellen die Bilder Fragen nach der Beziehung von Ästhetik, Symbolik, Raum, Geschichte und Wirtschaft.
In dem Video Picturesque beschäftigt sich Irina Botea Bucan mit der Befragung und visuellen Definition des Begriffs "pittoresk“. Der Film entstand während einer Reise des Filmteams (Kamera: Nicu Ilfoveanu und Toni Cartu) mit dem 75jährigen Herrn Nelu, einem Touristenführer und Freelance-Autor des Magazins „The Picturesque Romania“, durch verlassene Dörfer, Minen und Fabriken in Transsilvanien. Herr Nelu war angehalten, seine Beziehung zum Wort „pittoresk“ zu definieren – als Anlass für die Filmcrew, dies „richtig“ zu visualisieren. Die mit Texten versehenen Filmbilder thematisieren die Problematik um das vom Tourismus promotete Bild der idyllischen, konfliktfreien und leicht konsumierbaren Landschaft.
Ana Taran hingegen zeigt in dem Video Behind the Moon ihr intimes Verständnis von Landschaft. Der Titel bezieht sich auf ihren kleinen Rückzugsort in Studentenzeiten, mit dem der Film beginnt. Bei dem Video handelt es sich um eine Bildcollage, in dem sehr persönliche, atmosphärische Schwarzweiß-Bilder der Künstlerin, auf denen sie meist fragmentarisch, verdeckt oder von hinten zu sehen ist, mit farbigen Bilder der Schweiz kombiniert werden. Țăran ist interessiert an Selbstbeobachtung sowie an Fragen zu der Beziehung von Identität und Raum bzw. Landschaft. Dabei geht sie von Ländern aus, in denen sie tatsächlich gelebt hat, während die Schweiz, die für sie eine Art Sehnsuchtsort ist, hier als idealisierte, fantastische Landschaft präsentiert wird.
Foto © Bogdan Bordeianu
Untitled Temporary Landscapes 23, 2014