ENESCU – JORA – BARTÓK klang
18 DEZEMBER 2021 18:00

ENESCU – JORA – BARTÓK

Kammerkonzert zum Tag der Nationalen Minderheiten Rumäniens mit Raluca Stirbat und Rudolf Leopold

Ort:

Am 18. Dezember, zum Tag der Nationalen Minderheiten Rumäniens, präsentiert die in Wien lebende rumänische Pianistin Raluca Stirbat gemeinsam mit dem Wiener Cellisten Rudolf Leopold  das Kammerkonzert ENESCU – JORA – BARTÓK. Das Projekt des Rumänischen Kulturinstituts in Wien widmet Hommage dreier Musik-Persönlichkeiten die heuer gefeiert werden: 140 Jahre seit der Geburt von George Enescu und Béla Bartók, 130 Jahre seit Mihail Joras Geburt, sowie 50 Jahre seit seinem Tod. Sie gehören demselben geografischen Raum an und sind auch durch verschiedene sichtbare und unsichtbare Fäden verbunden, sowohl musikalisch als auch spirituell, und sogar verwandt: Maruca Rosetti-Tescanu-Cantacuzino, Enescus Ehefrau, war mütterlicherseits die Cousine von Mihail Jora.

Aufgenommen im Bösendorfer Salon wird das Konzert am 18. Dezember um 18:00 Uhr auf den Facebook-Seiten des RKI Wien und Bösendorfer ausgestrahlt: https://fb.me/e/2ThBSxFD7

Raluca Stirbat und Rudolf Leopold haben eine neue spannende Platte eingespielt, George Enescu – Das Gesamtwerk für Cello und Klavier, die August 2021 beim Wiener Musiklabel Paladino music erschienen ist. Die in der Bösendorfer Klavierfabrik aufgenommene CD wurde vor kurzem für die renommierten ICMA (International Classical Music Awards) nominiert.

Programm: 

GEORGE ENESCU

(19. August 1881, Liveni – 4. Mai 1955, Paris) 

Pavane und Bourrée aus der Suite op. 10 in D-Dur für Klavier,

„Des cloches sonores” (1903)

MIHAIL JORA

(2. August 1891, Roman – 10. Mai 1971, Bukarest)

Joujoux pour Ma Dame, Cinq pièces pour piano op. 7 (1925)

1. Ma Dame

2. Ma Dame désire entendre du Strawinski

3. Un Fox-Trott pour Ma Dame

4. Où l’on rêve d’un collier de perles fines

5. Tempête dans un verre d’eau

BÉLA BARTÓK

(25. März 1881, Sânnicolau Mare, heute Rumänien – 26. September 1945, New York)

Sechs Rumänische Tänze op. 6

 (1915, Bearbeitung für Cello und Klavier  von Rudolf Leopold und Raluca Știrbăț)

1. Jocul cu bâta / Der Tanz mit dem Stabe

2. Brâul / Schärpentanz

3. Pe loc / Der Stampfer

4. Buciumeana / Tanz aus Butschum

5. Poarga românească / Rumänische Polka

6. Mărunțelul / Schnell-Tanz

Mihail Jora war – zusammen mit seinem sehr guten Freund George Enescu – die Persönlichkeit, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts endgültig die rumänischen Musikkoordinaten festlegte. Die Freundschaft und Nähe der großen Geister finden wir auch in der Beziehung zwischen Enescu und Bartók, die sich Oktober 1924 während einer Zugfahrt von Lugoj nach Bukarest zum ersten Mal begegneten.

Diese Episode wurde von Béla Bartók ausführlich erzählt, und der Eindruck, den Enescu bei ihm hinterließ, war überwältigend – der rumänische Komponist lernte während dieser Reise Bartóks gerade vollendete 2. Violinsonate auswendig. Diese führte er wenige Tage später in Bukarest zusammen mit Bartók am Klavier auf, ohne die Partitur vor dem Konzert nochmals anzuschauen.

Mihail Jora wurde 1891 in Roman geboren, stammte nach seinem Vater aus einer alten Familie moldauischer Bojaren und nach der Mutter einer ebenso alten armenischen Familie, die sich in Moldawien niederließ. Er war ein prominentes Mitglied der armenischen Gemeinschaft, einer Minderheit, welche die rumänische Kultur im Allgemeinen – und Moldawien und Iaşi/Jassy ins Besondere – durch die überwältigende Zahl von kulturellen, wissenschaftlichen und politischen Persönlichkeiten geprägt hat.

Als herausragende Persönlichkeit mit einer ganz außergewöhnlichen moralischen Statur, kann Mihail Jora ohne Zweifel als Patriarch und Gründer der rumänischen Kompositionsschule bezeichnet werden. In Fortführung der Iaşi-Musiktradition, aber auch innovativ durch das in Leipzig assimilierte Erbe als Schüler von Max Reger und Robert Teichmüller, hat Jora das Musikleben und die Institutionalisierung unserer Musikausbildung entscheidend geprägt.

Die für das heutige Konzert vorgeschlagene Klaviersuite Joujoux pour Ma Dame op. 7, die Jora seiner Frau Elena gewidmet hat, verzauberte Emil Hertzka, den damaligen Direktor des renommierten Wiener Musikverlages Universal Edition. So wurde Joujoux, durch einem glücklichen Zufall 1925 (gleich nach ihrer Entstehung 1924) im selben Gebäude des Musikvereins, in dem das heutige Konzert stattfindet, herausgegeben.

Béla Bartók (1881 Sânnicolau Mare, heute Rumänien – 1945 New York), der fließend rumänisch sprach und schrieb, und dem wir die ersten systematischen musikwissenschaftlichen Recherchen über die rumänische Folklore verdanken, wurde von den ungarischen Nationalisten wegen der Erforschung der Minderheiten-Volksmusik und der rumänischen und slawischen Einflüsse in der ungarischen Folklore, zum "Verräter Ungarns" erklärt. Zu diesem Zeitpunkt schreibt er seinem Freund, dem rumänischen Musikwissenschaftler, Juristen und Diplomaten Octavian Beiu (der zusammen mit Bartók das Manuskript der Rumänischen Rhapsodie von Liszt in Weimar wiederentdeckte): „Meine eigentliche Idee ist die Verbrüderung der Völker. Dieser Idee versuche ich in meiner Musik zu dienen.“ So könnte die Entstehung der „rumänischen Trilogie“ im Jahr 1915 (die Rumänischen Volkstänze op. 6, die Rumänischen Weihnachtslieder und die Sonatine) auch als eine Reaktion des Widerstandes verstanden werden.

Ursprünglich 1915 für Klavier-Solo geschrieben, stellte Bartók 1917 von den Volkstänzen auch eine Orchesterfassung her, die sogar noch populärer als die Originalversion wurde. Erwähnenswert ist die erste Pariser Aufführung des Werkes in dieser Fassung, die 1931 unter der Leitung von Alfred Cortot im Rahmen eines Jubiläums-Konzertes stattfand, mit dem der 50. Geburtstag von George Enescu begangen wurde. Auf dem Programm standen Werke von Enescu, Bartók und Fauré.

In der von Rudolf Leopold und Raluca Stirbat vorgeschlagenen Fassung, bleiben sowohl die Originaltonart als auch die Dramaturgie und das dynamisch-klangfarbliche Gleichgewicht des Werkes erhalten.

An dieser Stelle muss noch die Geschichte des symbolischen Treffens der beiden gleichaltrigen Musikgiganten erzählt werden, wie sie von Bartók selbst dargestellt wurde. Enescu kam von einer Konzertreise in Westeuropa zurück, Bartók traf den rumänischen Folkloristen, und ihre beiden Wege kreuzten sich Oktober 1924 in der kleinen rumänischen Stadt Lugoj im Banat. Während ihrer gemeinsamen Zugfahrt nach Bukarest zeigte Bartók seinem rumänischen Kollegen die gerade fertig vollendeten Manuskripte seiner Werke, darunter auch die 2. Sonate für Violine und Klavier. Nach zweistündigem Durchblättern und Nachsummen ruft Enescu begeistert aus: „Ich werde das Stück in meinem nächsten Konzert uraufführen und Sie werden mich begleiten!“ Als die beiden in Bukarest ankommen, fragt Bartók, wann sie proben sollten; daraufhin antwortet Enescu, dass er das Stück und die Absichten des Komponisten zur Gänze verstanden hätte und dass eine Probe deshalb nicht notwendig sei. Als Bartók am Konzertabend die Partitur der Sonate Enescu überreichen wollte, lächelte dieser freundlich und sagte mit leiser Stimme: „Was soll ich damit? Habe ich es nicht schon im Zug einstudiert? Machen Sie sich keine Sorgen.“ Das erstaunte Bartók selbstverständlich. Nach dem Konzert zeigte er sich völlig verblüfft: „Nicht nur, dass er in den zwei Stunden mein Stück auswendig gelernt hat, aber er hat jede meiner Nuancen und Details mit feinster Präzision wiedergegeben!“

Text von Raluca Stirbat

Die Pianistin Raluca Stirbat, Gründerin und Präsidentin der Internationalen George Enescu Wien, gehört heute nicht nur zu den herausragendsten Vertreterinnen der jungen rumänischen Klaviergeneration, sondern kann auf große internationale Erfolge verweisen. Schon mit sechs Jahren nahm sie Klavierunterricht am Musikgymnasium ihrer Heimatstadt, um bereits mit zehn ihr Debüt als Konzertpianistin zu feiern. Ab diesem Zeitpunkt galt Raluca Stirbat als Wunderkind und trat mit allen wichtigen Orchestern Rumäniens und im Ausland auf. 1994 ging sie an die Musikuniversität Wien, um bei Prof. Jürg von Vintschger zu studieren, wo sie als Magister Artium im Klavier-Konzertfach abschließt.

Sie wurde mehrfache Preisträgerin nationaler und internationaler Wettbewerbe, und tritt in wichtigen Konzerthäusern auf (Wiener Konzerthaus, Wiener Musikverein, Grazer Stefaniensaal, Mozarteum Salzburg, Bozar Bruxelles u.a.).

Zahlreiche Toneinspielungen – für Hänssler ClassicGramola und ORFSchweizer Radio DRSMusic Minus One (Vereinigte Staaten), Hungaroton – unterstreichen ihr internationales Renommee. Ihre künstlerische Tätigkeit als Solistin und Kammermusikpartnerin führen Raluca Stirbat auf Tourneen durch ganz Europa sowie in Großbritannien, in den Vereinigten Staaten oder Japan, und machen sie zum gern gesehenen Gast zahlreicher Festivals.

Raluca Stirbat hat Enescus Gesamtwerk für Klavier eingespielt (Hänssler Classic, 2015), ein Album, das ausnahmslos alle Kompositionen des rumänischen Komponisten enthält (darunter auch Weltersteinpielungen), und 2013 die internationale Kampagne zur Rettung und Wiederbelebung des Enescu Hauses in Mihăileni (Rumänien) initiiert.

Zusätzlich beschäftigt sich die Pianistin intensiv auch auf dem pädagogischen und musikwissenschaftlichen Gebiet: sie erwarb einen Doktortitel mit der Dissertation Das Klavierwerk von George Enescu, und betreute die Übersetzung ins Deutsche des Bandes George Enescu: Meisterwerke von Pascal Bentoiu (Frank & Timme, Berlin, 2015, zusammen mit Larisa Schippel und Julia Richter) sowie die Herausgabe der Partituren des Gesamtwerkes für Klavier von George Enescu (Band 1, Verlag Grafoart, Bukarest 2016).

Für ihre besondere künstlerische Leistungen sowie für ihr soziales Engagement wurde Raluca Stirbat 2013 vom Innenministerium der Republik Österreich zum Integrationsbotschafter ernannt, und 2014 wurde ihr die Ehrenmitgliedschaft der Pro Patrimonio Gesellschaft in Rumänien verliehen.

Rudolf Leopold wurde 1954 in Wien geboren und studierte Violoncello an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien bei Richard Krotschak und Tobias Kühne. Er war Mitglied des Wiener Streichsextetts – mit diesem Ensemble unternahm er Tourneen durch ganz Europa, die Vereinigten Staaten von Amerika und Japan und wurde auch zu den Salzburger Festspielen sowie zum Edinburgh Festival eingeladen. Zahlreiche Aufnahmen für EMI und Pan Classics wurden zum Teil preisgekrönt. Als Solist hat Leopold auch selten gespielte Cellokonzerte, wie George Enescu, Matthias Georg Monn und Ernst von Dohnányi sowie moderne Werke mit Orchester aufgeführt. Rudolf Leopold war von 1983 bis 1990 Dozent für Kammermusik an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Danach wurde er Professor für Violoncello an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz.