Hommage und (Wieder) Entdeckung: Enescu und Silvestri klang
15 JULI 2020 19:00

Hommage und (Wieder) Entdeckung: Enescu und Silvestri

Videokonzert mit Raluca Stirbat (Klavier) und Rudolf Leopold (Cello)

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Die rumänische Pianistin Raluca Stirbat, Präsidentin der Internationalen „George Enescu“ Gesellschaft Wien, präsentiert gemeinsam mit dem Wiener Cellisten Rudolf Leopold  ein neues spannendes Projekt: das Gesamtwerk für Klavier und Violoncello von George Enescu, sowie die bisher unbekannte und in Wien wiederentdeckte Sonate für Cello und Klavier op. 22 Nr. 1 von Constantin Silvestri. Musikalische Fragmente, sowie eine Beschreibung dieser im Herbst erscheinenden Doppel-CD werden im Rahmen eines Videostreams am 15. Juli, um 19.00 Uhr, auf der Facebook Seite des Rumänischen Kulturinstituts in Wien übertragen. Aufgenommen wurde die Doppel-CD Enescu&Silvestri im Juni 2020 in der Bösendorfer Fabrik in Wiener Neustadt. Das Projekt wird vom Rumänischen Kulturinstitut in Zusammenarbeit mit Bösendorfer Wien, der Internationalen „George Enescu“ Gesellschaft Wien und dem Wiener Musiklabel Paladino organisiert. 

Bei diesem musikalischen Ereignis werden Fragmente der 2. Cellosonate Op. 26 von George Enescu (1935), sowie der verschollen geglaubten, von Constantin Silvestri (Juli 1941, Predeal/Rumänien) komponierten Sonate für Violoncello und Klavier op. 22 Nr. 1 aufgeführt.

Es ist leider in Vergessenheit geraten, dass George Enescu (1881, Liveni, Rumänien – 1955, Paris), eine der komplexesten und faszinierendsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts und der wichtigste Komponist Rumäniens, seine musikalische Grundausbildung am damaligen Wiener Conservatoirum bekam (als Schüler von Joseph Hellmesberger Jr., Robert Fuchs u.a.) und hier als Wunderkind berühmt wurde. Dieser Aspekt hat sich wunderbar in seiner Musik wiederspiegelt und wurde von Enescu sein Leben lang immer wieder betont. Das Album präsentiert das Gesamtwerk für Klavier und Violoncello von George Enescu und umfasst die zwei Sonaten op. 26 (die Erste, mit 17 Jahren komponiert und die Zweite, die viel später 1935 zum Großteil in Purkersdorf bei Wien entstand), sowie zwei Jugendstücke mit starkem Wiener Bezug (Nocturne et Saltarello und Allegro in f-Moll).

Zusätzlich enthält das musikalische Album die bisher unbekannte und in Wien wiederentdeckte  Sonate für Cello und Klavier op. 22 Nr. 1 von Constantin Silvestri (1913, Bukarest – 1969, London). George Enescus guter Freund und Kollege war ein origineller Komponist, sowie berühmter und charismatischer Dirigent, der auch die österreichische Staatsbürgerschaft besaß (sein Vater war Österreicher und seine Mutter stammte aus Böhmen). Er hatte unter anderen eine langjährige, intensive und in zahlreichen historischen Tonaufnahmen konkretisierte Zusammenarbeit mit den Wiener Philharmonikern.                

Die Silvestri-Sonate wurde seinem Kompositionslehrer Mihail Jora gewidmet und im Rahmen des Jubiläumskonzertes „Mihail Jora – 50 Jahre“ (8. November 1941) uraufgeführt. Das Werk gilt in den Monografien und Studien als unbekannt, bzw. gar als „nicht vorhanden“. Genau 77 Jahren nach ihrer Entstehung wurde die Sonate op. 22 Nr. 1 im renommierten Wiener Konzerthaus als Welterstaufführung nach Wiederentdeckung der Partitur von Raluca Stirbat und  Rudolf Leopold dem Wiener Publikum präsentiert.

Die Entdeckung der Partitur in einer Wiener Privatsammlung nach langjährigen Recherchen der Pianistin Raluca Stirbat, ist wahrlich eine Offenbarung – sowohl für Instrumentalmusiker als auch für Komponisten und Musikwissenschaftler – und erweist sich als umso wertvoller in Anbetracht der Tatsache, dass Silvestris Werkkatalog kein besonders umfangreicher ist: viele seiner Werke sind entweder verschollen oder vom Komponisten selbst, der für seinen Perfektionismus und seinen selbstkritischen Geist bekannt war, vernichtet worden.

„Im Falle Enescus – womöglich mehr als bei vielen anderen großen Komponisten – überwältigt mich immer wieder das Gefühl des Geheimnisvollen und einer unendlichen Suche. Zweifellos das Markenzeichen eines Genies. George Enescu wurde für mich – genauso wie für viele andere, die das Glück hatten, ihm nahezustehen – der „absolute Maßstab”, musikalisch und menschlich.

Jeden Tag mehr entdecke ich Constantin Silvestri – den jungen Kollegen und guten Freund von George Enescu – als einen komplexen und originellen Komponisten, eine faszinierende Persönlichkeit, mit der Aura eines rebellischen Edelritters. Er ist leider immer noch zu wenig bekannt, geschätzt und wird wenig gespielt, nicht nur im Ausland, sondern vor allem in Rumänien. Sein Oeuvre wartet auf seine volle Entdeckung, um eine Konstante – und nicht nur Ausnahme – im Konzertrepertoire zu werden.” (Raluca Stirbat - Pianistin)

 „Obwohl mir auch der frühere romantische Enescu gut gefällt, bin ich besonders von der Art fasziniert, wie er in seinen späteren Werken die Tonalität bis zur ihrer äußersten Grenze ausreizt und auch rhythmisch und kontrapunktisch höchste Meisterschaft unter Beweis stellt; in dieser Eigenständigkeit finde ich ihn nur mit Bartók vergleichbar.

Bei Silvestri hingegen spüre ich, dass er bei seinen Wiener Aufenthalten (auch als Dirigent der Wiener Philharmoniker) einiges von der speziellen Atmosphäre dieser Stadt aufgenommen hat und die Zweite Wiener Schule im besten Sinne fortsetzt. Die Kombination von konventioneller Rhythmik und frei- bis atonaler Gestaltung verleiht der Sonate einen besonderen Reiz.“ (Rudolf Leopold - Cellist)

Rudolf Leopold wurde 1954 in Wien geboren und studierte Violoncello an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien bei Richard Krotschak und Tobias Kühne. Er war Mitglied des Wiener Streichsextetts – mit diesem Ensemble unternahm er Tourneen durch ganz Europa, die Vereinigten Staaten von Amerika und Japan und wurde auch zu den Salzburger Festspielen sowie zum Edinburgh Festival eingeladen. Zahlreiche Aufnahmen für EMI und Pan Classics wurden zum Teil preisgekrönt. Als Solist hat Leopold auch selten gespielte Cellokonzerte, wie George Enescu, Matthias Georg Monn und Ernst von Dohnányi sowie moderne Werke mit Orchester aufgeführt. Rudolf Leopold war von 1983 bis 1990 Dozent für Kammermusik an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Danach wurde er Professor für Violoncello an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz.

Die Pianistin Raluca Stirbat, Gründerin und Präsidentin der Internationalen George Enescu Wien, gehört heute nicht nur zu den herausragendsten Vertreterinnen der jungen rumänischen Klaviergeneration, sondern kann auf große internationale Erfolge verweisen. Schon mit sechs Jahren nahm sie Klavierunterricht am Musikgymnasium ihrer Heimatstadt, um bereits mit zehn ihr Debüt als Konzertpianistin zu feiern. Ab diesem Zeitpunkt galt Raluca Stirbat als Wunderkind und trat mit allen wichtigen Orchestern Rumäniens und im Ausland auf. 1994 ging sie an die Musikuniversität Wien, um bei Prof. Jürg von Vintschger zu studieren, wo sie als Magister Artium im Klavier-Konzertfach abschließt.

Sie wurde mehrfache Preisträgerin nationaler und internationaler Wettbewerbe, und tritt in wichtigen Konzerthäusern auf (Wiener Konzerthaus, Wiener Musikverein, Grazer Stefaniensaal, Mozarteum Salzburg, Bozar Bruxelles u.a.). Zahlreiche Toneinspielungen – für Hänssler Classic, Gramola und ORF, Schweizer Radio DRS, Music Minus One (Vereinigte Staaten), Hungaroton – unterstreichen ihr internationales Renommee. Ihre künstlerische Tätigkeit als Solistin und Kammermusikpartnerin führen Raluca Stirbat auf Tourneen durch ganz Europa sowie in Großbritannien, in den Vereinigten Staaten oder Japan, und machen sie zum gern gesehenen Gast zahlreicher Festivals.

Raluca Stirbat hat Enescus Gesamtwerk für Klavier eingespielt (Hänssler Classic, 2015), ein Album, das ausnahmslos alle Kompositionen des rumänischen Komponisten enthält (darunter auch Weltersteinpielungen), und 2013 die internationale Kampagne zur Rettung und Wiederbelebung des Enescu Hauses in Mihăileni (Rumänien) initiiert.

Zusätzlich beschäftigt sich die Pianistin intensiv auch auf dem pädagogischen und musikwissenschaftlichen Gebiet: sie erwarb einen Doktortitel mit der Dissertation Das Klavierwerk von George Enescu, und betreute die Übersetzung ins Deutsche des Bandes George Enescu: Meisterwerke von Pascal Bentoiu (Frank & Timme, Berlin, 2015, zusammen mit Larisa Schippel und Julia Richter) sowie die Herausgabe der Partituren des Gesamtwerkes für Klavier von George Enescu (Band 1, Verlag Grafoart, Bukarest 2016).

Für ihre besondere künstlerische Leistungen sowie für ihr soziales Engagement wurde Raluca Stirbat 2013 vom Innenministerium der Republik Österreich zum Integrationsbotschafter ernannt, und 2014 wurde ihr die Ehrenmitgliedschaft der Pro Patrimonio Gesellschaft in Rumänien verliehen.